Dauerläufe, «Home Orienteering», Radausfahrten und Laufband ersetzen Postensuche im Wald
Matthias Kyburz vom OLK Fricktal wird sich am Ende des Jahres wohl als einer der einzigen Sportler weltweit rühmen können, im geschichtsträchtigen Jahr 2020 einen Weltrekord aufgestellt zu haben – und dies erst noch im April, auf dem Höhepunkt der Corona-Krise! Mit einer unglaublichen Willensleistung bewies er, fast drei Stunden auf dem Laufband rennend, dass er physisch bestens gerüstet für die neue OL-Saison gewesen wäre. Nach nur 2:56:36 hatte er 50 km abgespult und verbesserte den Weltrekord um knapp eine Minute. Er sorgte dafür, dass die Aargauer OL-Sportler und der Orientierungslauf allgemein nicht ganz in Vergessenheit gerieten. Denn genau als die ersten nationalen und internationalen Wettkämpfe hätten stattfinden sollen, begann der Corona-Lockdown. Spezielle Gefühle erlebten dabei die LäuferInnen des Nationalkaders: Noch im Oktober, anlässlich der Weltcupläufe in Wuhan, suchten sie an einem wettkampffreien Tag einen speziellen Tiermarkt in der Stadt…
Die Jungen bleiben motiviert und fokussiert
Es sei schon ziemlich herausfordernd gewesen am Anfang, meint Lukas Frei, Chef des Aargauischen OL-Nachwuchskaders: «Unsere Jungen hatten ein gutes Wintertraining, zeigten solide Resultate an Crossläufen und dann gings einfach nicht los». Er sei aber sehr erfreut, so Frei weiter, dass alle seine Schützlinge, die einen sogar mit riesigem Elan, drangeblieben seien und selbständig in den Wäldern des Aargaus, vor allem die physische Komponente trainiert haben. Für Frei selber gabs, anstatt für die OL-Läufer Bahnen auszustecken und Routen zu besprechen, viel zu organisieren: Trainingslager und Wettkämpfe wurden zuhauf verschoben und danach ganz abgesagt – das kostete alles Zeit und Energie. Speziell erwähnt der Kadertrainer noch ein vom ehemaligen Nachwuchskader-Athleten Beat Meier entwickeltes Tool, mittels welchem zu Hause, am PC, Routen generiert und bearbeitet werden können. Nach Home Working und Home Schooling laufen die OL-Läufer mit Home Orienteering also buchstäblich mit der Zeit!
Junge Eliteläufer sind bereit für die Junioren-WM
Wie aber fühlen sich die Hauptakteure, die jungen Aargauer OL-LäuferInnen? Eline Gemperle, die Sprint-Junioren-Weltmeisterin 2019 aus Boniswil meint, dass es fatal gewesen wäre, sie und ihre Kollegen hätten den Schlendrian geweckt. Sie hofft sehr, dass es im Herbst möglich sein werde, einige «richtige» OL’s und eventuell sogar die Junioren-WM oder -EM zu laufen und da möchte sie dann schon bereit sein. Einen Vorteil hatte die wettkampffreie Zeit sogar für Gemperle: sie konnte sich bestens auf die Matur vorbereiten. Zudem hatte sie Zeit für Alternativsportarten, welche in einer normalen Wettkampfsaison eindeutig zu kurz kommen: Gemperle unternahm Radausfahrten, welche ihr sehr gefielen. Gleiches erzählt auch Lilly Graber aus Biberstein, welche für die OLG Suhr startet: Sie wechselte in einigen Trainings sogar direkt vom Velo zum Laufen und umgekehrt und empfand viel Freude dabei. Dominic Schacher, welcher wie Eline Gemperle für den OLK Argus läuft und auch dem Schweizer Juniorenkader angehört, erging es ähnlich: Auch er konnte sich gut motivieren und vermisst eigentlich nur die Gruppentrainings mit (Orientierungs-)Laufkollegen und das Zusammenstrecken der Köpfe bei Kaffee und Kuchen nach einem Wettkampf in der OL-Beiz. Auch Siri Suter, die Kaderläuferin der OLG Cordoba aus Rütihof berichtet Aehnliches wie ihre Kameraden. Für sie hätte einzig das Intervalltraining manchmal etwas Überwindung gebraucht. Dass sie sich auf einen Vergleichswettkampf freut, unterstreicht, dass sie explizit erwähnt – wie übrigens auch Eline Gemperle – dass sie gerne ihre 3000er-Bestezeit auf der Bahn beim nächstmöglichsten Termin verbessern möchte.
Auch Ruth Humbel weiterhin im Training
Bei so viel Trainingsfleiss und Motivation seitens der jungen Eliteläufer interessiert natürlich auch die Meinung und das Befinden der politischsten OL-Läuferin des Kantons. Auch Ruth Humbel, CVP-Nationalrätin, ehemalige OL-Nationalkaderläuferin und aktuell bei Laufwettkämpfen und OL’s eine der besten Seniorinnen des Landes, hat fleissig – zu Fuss, meist im Gebiet Baldegg – Gebenstorfer Horn – weitertrainiert. Sie hat sich unheimlich gefreut, gefühlsmässig noch nie so viele Leute im Wald Sporttreiben zu sehen. Bei der ganzen Misere hofft sie sehr, dass da «etwas» hängen bleibt. Bezüglich Techniktrainings am PC lacht sie: «Ich wusste nicht mal, dass es das gibt – ich hoffe einfach, ich finde die Posten nach der Krise auch sonst». Und angesprochen auf ihre Einschätzung, wann es dann wieder losgehen werde, meint sie, dass es schwierig sei, dies abzuschätzen. Gute Schutzkonzepte seien zentral. Diesbezüglich hat der OL-Verband vorbildliche Arbeit geleistet. Dass der ehemalige Ständerat Konrad Graber neuer Schweizer Verbandspräsident ist, sei ein Glücksfall für den OL-Sport. Im Übrigen seien auch die Herren Koch und Berset sehr läufer-affin. Aber trotz aller Sympathie für die (OL-)Läufer aus Politik-Kreisen glaubt sie nicht an eine normale Herbstsaison für die Breitensportler. «Zu hoffen ist, dass einige OL’s bei welchen es möglich ist, die Sicherheitsstandards einzuhalten, organisiert werden können», meint die engagierte Politikerin zum Schluss.
Obige Beispiele zeigen: Orientierungsläufer und Laufsportler waren und sind während der Corona-Krise in einer sehr komfortablen Situation. Sie konnten mit nur wenigen, verkraftbaren Einschränkungen weiter trainieren und sich fit halten. Das Einzige, was nicht nur sie, sondern die ganze Bevölkerung vermisste, war die soziale Komponente – sprich das gemütliche Zusammensein nach Wettkämpfen  - und, um Siri Suter noch zu zitieren: «Ab und zu wäre ich gerne mit einem Gschpänli gelaufen».